08. Februar 2010

Gesetz zur Änderung des Hessischen Kommunalwahlgesetzes und anderer Gesetze

Stellungnahme an den Innenausschuss des Hessischen Landtages zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für einGesetz zur Änderung des Hessischen Kommunalwahlgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 18/1626)

Wiesbaden im Januar 2010

Vorbemerkung:
Wir sind, was die Änderungen der HGO angeht, sehr erfreut, dass die die Regierung stellenden Fraktionen von CDU und FDP die damaligen Änderungen der HGO im Bezug auf die Fraktionsstärke teilweise zurücknehmen. Wir freuen uns, dass unsere Kritik aufgenommen wurde und, wenn auch verspätet, zum Ergebnis führt, die Änderungen teilweise wieder zurückzunehmen.
Wir beschränken uns in unserer Stellungnahme auf die Gesetzesänderungen, zu denen wir Bedenken und Anregungen vorbringen wollen und können. Ob die anderen vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Änderungen sinnvoll und notwendig sind, müssen die dafür eingeladenen Sachverständigen beurteilen und muss in die Gesamtabwägung eingehen.

Artikel 1
Änderung des Hessischen Kommunalwahlgesetzes

Zu Artikel 1.Nr.2
Es mag richtig sein, dass in der verwaltungspraktischen Handhabung die Erteilung von Wahlscheinen im Verhinderungsfalle mit nachprüfbaren Gründen nicht oder nur ungenügend kontrolliert und hinterfragt werden kann und hinterfragt wird. Es mag auch so sein, dass das Bundeswahlrecht die Antragsgründe ersatzlos gestrichen hat.
Das alles ist aus unserer Sicht aber kein hinreichender Grund, das bisherige Verhältnis zwischen den Grundsätzen von Allgemeinheit und Geheimheit der Wahl zu Lasten der Geheimheit zu verschieben. Die Briefwahl wurde ja trotz Bedenken wegen der möglichen Gefährdung des Wahlgeheimnisses nur gestattet, weil damit entsprechenden Personen mit nachvollziehbaren Verhinderungsgründen die aktive Teilnahme an der Wahl ermöglicht werden sollte und sie nicht von der Wahl ausgeschlossen werden sollten. Es geht also hier nicht um eine weitere Erleichterung zur Teilnahme an Wahlen, sondern es geht um das Unvermögen des Staates, ein verfassungsrechtliches Erfordernis, nämlich den Grundsatz der Geheimheit der Wahl, abzusichern.
Der Streichung der Angabe und der Glaubhaftmachung von Hinderungsgründen für die Briefwahlteilnahme begegnen wir mit verfassungsrechtlichen Bedenken.

Zu Artikel 1 Nr. 3
Wir machen an diesem Punkt weniger verfassungsrechtliche denn verwaltungstechnische Bedenken geltend. Zwar mag es richtig sein, dass den Wählerinnen und Wählern insbesondere in größeren Städten oder Landkreisen mit zusätzlichen Angaben auf dem Stimmzettel mehr Kriterien zur Auswahl gestellt werden. Wir sind allerdings der Meinung, dass gerade in solchen Städten oder in Landkreisen die Fülle der Angaben und die Größe der Stimmzettel nicht zur einer Vereinfachung der Entscheidungsfindung geführt hat, sondern im Gegenteil die Erhöhung der Informationsgehalte gerade dazu führt, die Simplifizierung der Wahlentscheidung zu begründen: Promovierte sind immer gescheit und Juristen haben immer Recht.

Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass objektive Angaben auf dem Stimmzettel erscheinen müssen und der Anschein eines Wahlkampfes mit verschiedenen Bezeichnungen auf dem Wahlzettel vermieden werden muss.

Ganz augenscheinlich wird unsere Ablehnung weiterer Angaben bei der unter 3. 1. genannten Bezeichnung „ Stand“. Welcher Stand ist hier gemeint: der 1. Stand, der 2. Stand oder der Bauernstand, der Ehestand, der Herren- oder Ritterstand, der Hausstand. Oder ist es nicht einfach so, dass der Begriff „Stand“ längst überholt ist und im Begriff „Beruf“ aufgegangen ist?
Ein unklarer Begriff, der nicht dazu führt, den Erkenntnisgewinn der Wählerinnen und Wähler zu stärken und ihre Wahlentscheidung zu verbessern.
Gleiches gilt für den Hinweis auf die Stadt- oder Ortsteile. Über 30 Jahre nach einer erzwungenen Gebietsreform, die das Ziel hatte Gemeinsamkeiten herbeizuführen, sind immer noch in vielen gebietsreformierten Gemeinden Rivalitäten zwischen eigentlich zusammengehörenden Ortsteilen erkennbar. Die Auflistung von Ortsteilen würde genau das bestätigen, was in der Gebietsreform eigentlich abgestellt werden sollte: das Ortsteil- oder Stadtteildenken. Wir lehnen die Änderung auch aus diesem Grunde ab.
Zu Artikel 2

Hier verweisen wir auf unsere verfassungsrechtlichen Bedenken, die wir zu Artikel 1 Nr. 2 geäußert haben.
Zu Artikel 3
Änderung der Hessischen Gemeindeordnung

Nr. 1
(1)
Wir sehen die Wiedereinführung der sog. Ein-Personen-Fraktionen als Bestätigung unserer ablehnenden Haltung gegenüber der damaligen Änderung und begrüßen die Widereinführung. Allerdings ist die Wiedereinführung nur halbherzig angegangen worden und ist in ihrer Konsequenz auch ungerecht.

(2)
Wir kritisieren insbesondere die Tatsache, dass es den Ein-Personen-Fraktionen nicht gestattet sein soll, die Bildung eines Akteneinsichtsausschusses zu verlangen. Gerade die Wiedereinführung des von der damaligen CDU Landesregierung gestrichen Fraktionsstatus durch die Teilnahme an der Wahl zeigt doch, dass den Parlamenten und ihren Fraktionen mit 15 oder 23 Abgeordneten ein großes Gewicht in der parlamentarischen Demokratie zugestanden werden muss. Dies gilt aber auch den Fraktionen in diesen Gemeindeparlamenten. Übernehmen doch gerade die kleinen Fraktionen und, das zeigen die Beispiele aus der Zeit vor der Änderung der HGO, die Ein-Personen-Fraktionen, die engagierteste Kontrolle der Verwaltung und damit die gesetzliche durch die HGO vorgegebene Aufgabe.
Ein-Personen-Fraktionen in kleinen Parlamenten vereinen im Gegensatz zu kleineren Fraktionen in größeren Parlamenten auch prozentual mehr Wählerinnen und Wähler auf sich. Sie sind damit nicht nur in ihrer eigentlich inhaltlichen Arbeit stärker in der Mitverantwortung der Gestaltung des politischen Lebens, sondern sie haben auch durch den prozentual höheren Anteil an Wählerinnen und Wählern eine höhere politische Verantwortung – gerade in Parlamenten mit 15 oder 23 Mitgliedern.
Es verbietet sich geradezu, sie schlechter zu stellen als die weniger legitimierten Kleinfraktionen in größeren Parlamenten und vom Recht auf Durchsetzung eines Akteneinsichtsausschusses fernzuhalten.
Auch die in der Begründung aufgeführte oder heraufbeschworene „Gefahr einer allzu häufigen Einsetzung von Akteneinsichtsausschüssen“ kann nicht als wirkliche Begründung herangezogen werden. Aus den Erfahrungen aus den Zeiten als es noch Ein-Personen-Fraktionen gegeben hat, kann ersehen werden, dass insbesondere die kleinen Fraktionen sich ihrer politischen Verantwortung bewusst sind und nicht leichtfertig Einsichtsausschüsse beantragen. Sie gehen verantwortlicher mit der politischen Wirkung von Einsichtsausschüssen wie auch mit ihrer eigenen Arbeitskraft um, als größere Fraktionen in größeren Parlamenten.

(3)
Unklar bleibt im Gesetzestext, welche Rechte die Ein-Personen-Fraktion denn wirklich hat und welche Auswirkungen die Wahl in das Parlament auf die Gestaltung und Ausfüllung der Geschäftsordnung des jeweiligen Parlamentes hat. Ist das Mitglied der Ein-Personen-Fraktion mit dem Antrags- und Abstimmungsrecht in allen Ausschüssen ausgestattet? Nur der Bezug auf die Übersendung von Ergebnisniederschriften und die Formulierung „tritt an die Stelle des Fraktionsvorsitzenden der Gemeindevertreter, der die Ein-Personen-Fraktion bildet“, lässt die Interpretation zu, dass hier nicht die gleichen Rechte erteilt werden sollen, wie sie vor der Änderung der HGO gegeben waren. Wir fordern auch für die Ein-Personen-Fraktion in Parlamenten bis 23 Mitglieder die gleichen Rechte und Pflichten wie die Fraktionsvorsitzenden der Fraktionen mit Mehr-Personen.

Nr. 3
Auch hier gilt die Tatsache, dass Umsetzungsprobleme der Verwaltungen kein Grund sind, die Überwachungspflicht der kommunalen Parlamente zu beschneiden. Zwar ist es richtig, dass die Um- und Aufstellung der doppischen Haushalte, die konjunkturelle Krise und die Abwicklung der Konjunkturprogramme den Kommunen enorme verwaltungstechnische Probleme bereitet.
Aber es war ja gerade der Sinn und Zweck des Gesetzgebers, durch die Einführung der Doppik auch den Parlamenten eine bessere Steuerungs- und Lenkungsmöglichkeit an die Hand zu geben. Eine Verlängerung des Zeitraums für den ersten Gesamtabschluss mindert die Überwachungsfunktion der Parlamente und erschwert die Steuerungs- und Überwachungsfunktion die der Gesetzgeber den Parlamenten auferlegt hat. Gerade in Krisenzeiten wäre jedoch notwendig, einen zeitnahen Überblick zu haben.

Artikel 4 und Folgeänderung Artikel 5
Änderung der Hessischen Landkreisordnung, Änderung der Hessischen Kommunalbesoldungsverordnung

Wir sind dafür, das staatliche Gängelband der Selbstverwaltungskörperschaften zu lösen und die Eigenverantwortung der Kommunen zu stärken. Allerdings kann dies nicht immer sinnvoll sein, wie sich in diesem Fall zeigt. Landkreise finanzieren sich nicht durch eigene Einnahmen, sondern zum größten Teil über Transferleistungen, insbesondere durch die Erhebung von Umlagen.
Letztlich sind es die kreisangehörigen Städte und Gemeinden, die Mehraufwendungen der Kreise zu bezahlen haben. Während die Kommunen ihre Mehraufwendungen für ihr hauptamtliches Personal selbst finanzieren und dies damit in der Verantwortung der Selbstverwaltungskörperschaft und dem Parlament liegt, werden die Landkreise diese Kosten durch die Kreisumlage auf die Kommunen abwälzen. Eine Gleichbehandlung, wie es die Begründung vorsieht, ist damit vom Grundsatz her nicht gegeben. Wir befürworten deshalb die Beibehaltung der jetzigen Rechtslage.

Wiesbaden im Januar 2010

Für den GAK-Vorstand
Matthias Zach